Gemeinsames Trauma ist halbes…Dingsda


Neulich bei den Geburtstagsfestspielen der wunderbaren Frau Indica, stellten der Herr Digitalspontiv und icke fest, dass wir ein gemeinsames Kindheits-Trauma haben:
Wir mussten beide das wohl uncoolste Instrument unter der Sonne lernen:
Akkordeon.

(Muss ich eigentlich nix weiter sagen, nä? Mach ich aber trotzdem.)

Während andere Kids auf dem Klavier wunderbare Sonaten klimperten oder sehr abgefahren eine E-Gitarre bearbeiteten, schlurften wir mit unserem auf einen Hackenporsche geschnallten, höchst unhandlichen Instrument zunächst einmal quer durch die Neubausiedlung (also ich jedenfalls), um dann bebeugten Hauptes im Probenraum die elende Quetschkommode auszupacken, um…

…genau: Den Schneewalzer zu intonieren. (Wahlweise auch den Radetzky-Marsch – beides Highlights auf der nach unten offenen Beliebtheitsskala damalig zeitgenössischer Akkordeonliteratur).

Und da man sich, wenn ich das bei den Verhaltenstherapeuten richtig verstanden habe, einem Trauma stellen muss, haben der Herr Spontiv, seine Schwester (sie hat ein mittelschweres Blockflöten-Trauma zu verarbeiten, wenn ich das hier mal so erwähnen darf) und ich beschlossen, zusammen die alten Hits von damals zu Gehör zu bringen.

Mein Instrument habe ich inzwischen auch gefunden (es riecht ein wenig nach feuchtem Keller, scheint aber ansonsten immer noch einigermaßen funktionstauglich, der quäkende Klang ist jedenfalls unverändert zu erquetschen) leider keine entsprechenden Noten, aber was solls, das wird sich schon finden.
Wohlan.
Frisch ans Werk!

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Oder besser doch nicht….

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22 Antworten zu “Gemeinsames Trauma ist halbes…Dingsda”

  1. Tolles Instrument. Damit kannst Du genau in diesem Outfit auf den Straßen der Hauptstadt Kohle machen. ;))
    Klavier war sowas von blöd…
    Goisern ist gut.

  2. Danke Frau Indica, dass Sie mich von meinem Vorhaben erlösen!

    Hm, ich glaube, dieses Trauma werde ich dennoch nicht wieder los.
    Ich kann Akkordeon einfach nur noch sehr bedingt und schon gar nicht in wie auch immer gearteten volksmusikalischem Kontext hören.
    Bandoneon geht schon wieder, Astor Piazolla und so.

    Ich wollte unbedingt Klavier lernen, weil ich viel lieber als irgendwelche Ländler und Walzer und blöden Umta-umta-Mist, Bach, Schumann, Mozart etc. spielen wollte. *
    Ich höre schon immer Musik eher, wie soll ich sagen, primär analytisch.? Einzelnde Stimmverläufe, intelligente Kompositionen, damit konnte man mich schon immer kriegen. Nicht mit hintereinander gereihten Akkorden, die primär an Emotionen appellieren – mit Wagner kannick ooch wenig anfangen.

    Nunja, und wenn es schon alpinaffin sein soll, dann eher der hier:
    https://www.youtube.com/watch?v=wkQKfNatKco
    :)

    (Auf den Straßen der Hauptstadt, bzw. in ihren U-Bahnhöfen, sitzen teilweise ganz hervorragende, meist russische Musiker. Da könnte ich höchstens noch als Clown punkten.)

    *Mein Musiker-Opa hat mich übrigens so lange und vehement in meiner Quengelei unterstützt, dass ich mit 18 dann doch ein Klavier von ihm bekommen durfte. Okay, das war nur 1 Meter lang, wegen Wohnung zu klein und so, aber es war ein Klavier. Leider hatte ich mit zeitgleichem Beginn des Studiums nur noch wenig Zeit zum Üben und so sind meine Klavierfähigkeiten rudimentär geblieben.

  3. Ich vermute: Akkordeon ist ein generationsbedingtes Trauma. Mein Vater fand das auch immer gut, natürlich auch nicht in der Piazzolla-Version, sondern in der Ufftata-Ausgabe. (Habe mir dann eine Heimorgel erquengelt, aber das war dann ein anderes Trauma.)

  4. In den 70ern wohnten bei meiner besten Freundin eine der ersten „Gastarbeiterfamilien“ des Ortes, also eigentlich waren es zwei verschwägerte junge Paare mit zusammen 3 Kindern. Claudio (Claudio!! Unsere Jungs hießen Stefan, Thomas und Michael, und die hießen Claudio oder Francesco) spielte Handharmonika. Wir fanden das alles supercool und hochexotisch. So sehr, dass ich es heute noch schön finde. Kommt immer drauf an,
    was man darauf spielt und vor allem: wer! ;-).

  5. Ja genau, unabhängig davon, dass Akkordeon ein Instrument mit einem deutlich begrenztem Tonumfang und ebenso begrenzten musikalischen Einsatzmöglichkeiten ist (im „klassischen“ Orchester findet man es ebenso selten, wie im Jazz und auf Volksmusik und deren wie auch immer rockig aufgearbeitete Nachfahren stehe ich nunmal nicht unbedingt), ist es sicher auch – wie bei fast Allem – eine Frage der emotionalen Besetzung dieses Gegenstands und die sitzt fester und tiefer, je früher sie in die persönliche Vita impletiert wurde.

    Um es kurz zu machen: Ich lernte Akkordeon auf Wunsch meines Vaters.
    Er war 1945 als 16-jähriger in russische Kriegsgefangenschaft geraten, von deren Folgen er sich nie erholt hat . Aufgrund einer kurz danach einsetzenden Erblindung ( die nie als Folge der Kriegsgefangenschaft anerkannt wurde ) konnte er nicht in den Beruf zurückkehren, den er Mitte der 40er Jahre angefangen hatte zu lernen und mit dem er sozusagen groß geworden ist: Binnenschiffer.
    Er gab sich seitdem einer gewissen Seemannsromantik hin und sah sich selbst gern „Schifferklavier“ spielend auf Deck eines wie auch immer gearteten Kahnes.

    Und da er sich selbst das Akkordeonspielen nur rudimentär beigebracht hatte, musste ich als 12-jährige stellvertretend anfangen, dieses Instrument zu lernern – primär, um La Paloma oder auch Volksmusik darauf intonieren zu können, wie man sie z.B. im „Blauen Bock“ hören konnte.
    Die Musik stand hier nicht im Vordergrund, es war eher die Pose, die ich stellvertretend einnehmen sollte.

    Rückblickend muss ich sage, dass dieser Akkordeonunterricht mich durchaus weitergebracht hat. Es ist immer noch besser, das falsche Instrument zu lernen, als gar keins und da ich ja zunächst keines der Instrumente spielen durfte, die ich bevorzugt hätte (Geige z.B. war auch nicht drin, weil „so eine Katzenmusik kommt mir nicht ins Haus“ – alle anderen Streichinstrumente auch nicht, weil teilweise gar nicht bekannt), bin ich schließlich auf Singen im Chor ausgewichen. Da durfte ich dann endlich die Musik machen, die mich auch interessierte und es kostete auch nichts.

    Es ist also nicht so einfach mit dem „ist doch ein tolles Instrument“, mit dem man sicher auch schöne – nun ja – modifizierte Stammtischmusik machen kann.

    (Aber ich hatte ja wie gesagt noch meinen Opa, den Vater meiner Mutter. Der war zwar von Beruf auch Binnenschiffer, im Grunde seines Herzens war er aber Musiker. Er hatte sich diverse Blasinstrumente selbst beigebracht und in seinem Heimatdorf und Umgebung eine Blaskapelle gegründet, mit der er die Nächte hindurch Tanzmusik machte – würde er noch leben, er wäre fürchterlich stolz auf seine Urenkelin, Tochterkind.
    Das war zwar auch eher Uffta-uffta-Musik, aber mein Opa war auch offen für alles andere. Auch wenn er „klassische“ Musik nicht wirklich kannte, hörte er doch genau hin und erhörte z.B. die Schönheit einer Bach’schen Fuge. Das sagte er nicht nur, man konnte es auch sehen, wenn man ihn beim Musikhören beobachtete. Er machte und hörte primär Musik – die Pose davor oder dahinter war ihm schnuppe.)

    Im Grunde ist es auch egal, was – im vorliegenden Fall, welches Instrument – negativ mit dem Erfordernis des Einnehmens einer gewissen Fassade belegt wurde. Wer Klavier oder Geige lernen musste, weil dies zum bildungsbürgerlichen Standard gehört, wird unter Umständen Klavier oder Geige ebenso doof finden.

  6. :-)
    Immer schlimm, wenn die Kinder die Träume der Eltern erfüllen sollen.
    Wir sind ja eher nicht besonders musikalisch und als das Kind nach musikalischer Früherziehung und so weiter am Ende der ersten Klasse keinen Wunsch äußerte, die Musikschule weiter zu besuchen und ein Instrument erlernen zu wollen sondern den Wunsch nach einem weiteren freien Nachmittag äußerte, zwang ich sie nicht, obwohl ich es schon etwas schade fand.
    Lernen müssen ist nicht toll und nicht immer wichtig.
    Ich musste Blockflöte lernen und unterm Weihnachtsbaum dann vorspielen. Grauenhafte Erinnerung. Durch „müssen“ ist noch in seltenen Fällen eine wahre Liebe entstandne.

  7. Du sagst es!
    Jemanden zu einer im weitesten Sinne künstlerischen Tätigkeiten zu zwingen, ist so bekloppt, bekloppter gehts eigentlich kaum.
    (Blockflöte und Weihnachtsbaum ist auch so ein Trauma, das wohl ganze Generationen teilen.)

  8. Oh ja genau! Singen.
    Das finde ich noch viel schlimmer, als Instrument vorspielen, das ist irgendwie noch näher dran am innere Peinlichkeitszentrum.

    Gedicht aufsagen fand ich auch immer doof. Zum Glück fand mein Vater das auch doof und hat mich in diesem Fall dann vor Tantenansprüchen geschützt. (Er konnte sehr gekonnt granteln).

  9. Akkordeon gab’s und gibt’s natürlich auch im Jazz. Exemplarisch einfach mal Frank Marocco googeln. Oder halt, setze ich ihn mal gleich rein:

    http://www.youtube.com/watch?v=Q8VCcsJTBd4

    Duke Ellington hat vor Jahrzehnten „Accordion Joe“ gespielt (leider bei youtube in D nicht zu sehen), aus dem Gypsie Swing ist das Instrument nicht wegzudenken und was wäre der Tango ohne das klanglich verwandte Bandoneon?

    Wer auf der Suche nach -unter anderem- Akkordeonmusik ist, der kommt an den Mulitinstrumentalisten von Quadro Nuevo nicht vorbei. „Mocca Flor“ oder „Canzone della Strada“ sind Albumtipps. Hier bei der Jazzwoche in Burghausen:

    http://www.youtube.com/watch?v=NoNSekIPe7I&list=PLKry0F72TsiplcsKtA9gvJvpuscnL7WDY

  10. Ja, ich weiß, im Jazz findet man ja irgendwie fast alle Instrumente – auch Geige etc.
    Meine Tochter hat seinerzeit unter anderem eine Astor Piazolla-Bearbeitung in BigBand-Version gespielt (sie unverändert Saxophon) – mit Solo-Akkordeon. War großartig, keine Frage, aber wie gesagt, die Abneigung sitzt bei mir (und vielen anderen) tiefer.

    Wenn ich „Akkordeon“ in Verbindung mit „Orchester“ oder so höre, dann ist das für mich immer noch so etwas (VORSICHT!):
    https://www.youtube.com/watch?v=0OMGRMlfslI