Gestern mit dicken Kopf und fest verschlossenener Nase aus der Arbeit nach Hause gedümpelt, in freudiger Erwartung einer Tasse Tee, einer Decke und dem Frollein Hund als Fußwärmer. Wenn schon nicht auskurieren, weil hierzu die Zeit fehlt, so doch wenigstens dösend ins Wochenende hineinkurieren.
Hatte ich mir so erhofft, wurde aber nix draus, denn gerade, als ich es mir mit Tee, Hund und Decke auf dem Sofa bequem machte, klingelte das Telefon.
Der Blutdruck sei so hoch und das Herz, das würde rasen. Also so 210 zu 130 und Puls, na so 140?
15 Minuten später – ja, ich kann sehr schnell bei Omma in der Wohnung stehen – bestätigte sich dieser Befund an der gerade erstaunlich agilen und extrem rotgesichtigen Seniorin.
Nachdem sich auch nach einem weiteren Betablocker, gut zureden und forciertem Zuwarten nichts änderte, der Puls nicht nur schnell, sondern auch verdammt arrhythmisch war habe ich auf Notfallplan umgeschaltet, erstmal vorsichtig eruiert, ob nicht zufällig gerade einer der kardiologischer Kollegen Bereitschaftsdienst fährt, der vielleicht die Chuzpe hat, diesen Notfall auch zu Hause zu behandeln, erfahren, dass dies nicht der Fall ist, zum Glück vom beratenden Bereitschaftskollegen aber noch den Rat bekommen, dass man derzeit Klinik A besser meidet, dafür Klinik B anfahren sollte, die Feuerwehrmänner überzeugt, besser Klinik B anzufahren, obwohl Klinik A im Gegensatz zu Klinik B einen Herzkatheterplatz hat (ich weiß einfach zu genau, was dabei herauskommt, wenn man über ein 83 Jahre altes, dementes Gehirn sofort, ohne Umschweife und ggf. vollkommen unnötig die Segnungen der modernen Maximalmedizin auskippt), versucht die nun extrem aufgeregte Omma daran zu hindern, den von den Feuerwehrleuten in den Flur getragenen Dreck wegzufeudeln (ohne Erfolg), Klinik B angefahren, dort die Wartezeit auf „den Doktor“ verkürzt, mit dem Hinweis auf die eigene Ärztlichkeit und darauf, dass man, nachdem bereits eine halbe Stunde vom Eintreffen in der Rettungsstelle vergangen war, so langsam mal in die Pötte kommen könnte, um wenigstens einen Zugang zu legen, auf einen sehr freundlichen und kooperativen jungen Assistenzarzt gestoßen, der meine Therapiewünsche akzeptiert hat („Nein, kein Nitro, nur Betablocker!“), gut 40 Minuten mit wachsendem Bammel auf den Monitor gestarrt und gleichzeitig die Omma daran gehindert, das Bettgitter zu übersteigen und das Weite zu suchen, nach gut 40 Minuten mit der aufgeregten, tachyarrhythmischen Omma um einen Therapieversuch mit einem Hauch Beruhigungsmittel gebeten („Sind sie sicher, dass das gut ist?“ „Ja!“ „Okay, sie kennen sie besser. Sie meinen eine Prise von XY?“ „Ich meine eine halbe Prise von XY“), in letzter Sekunde verhindert, dass sie angehalten wird, das Mittel zu schlucken und nicht, wie vorgesehen, es von der Mundschleimhaut aufnehmen lässt (genau dafür ist dieses Präparat nämlich konzipiert – ich hoffe, der Pfleger hat jetzt etwas dazu gelernt), das Licht dimmen lassen, weitere 12 Minuten später dem Umschlag auf den normfrequenten Sinusrhythmus life und in Farbe am Monitor bewundert, eigenhändig den Blutdruck gemessen, auch der wieder im grünen Bereich, die Omma nach Eintreffen der Laborwerte (drei Stunden später) wieder eingepackt, nach Hause gefahren, ihr Kaliumbrause und Abendbrot zubereitet, rekonstruiert, wie es zu dieser Situation kommen konnte, selbst nach Hause gefahren, unruhig und zu spät ins Bett gekommen.
Wenn ich schon mal einen grippalen Infekt ankurieren will…
7 Antworten zu “Mit der Omma in die Rettungsstelle”
Erstmal bin ich sehr erleichtert, dass die Omma wieder zuhause ist und sich die Werte im grünen Bereich eingependelt haben.
Dann wünsche ich Dir gute Besserung, was den grippalen Infekt angeht und dass das weitere Wochenende ruhig verläuft, so dass das Auskurieren auch klappt.
Und dann bedauere ich lebhaft, dass Du bei mir/uns im Notfall nicht mal eben in 15 Min. vor der Tür stehen kannst. Würde mich im Ernstfall sehr beruhigen, mich in so kompetenten Händen zu wissen.
Gruß an Dich und alle anderen Bewohner des Hauses!
Danke Liisa! :-)
Die Weichen richtig zu stellen, das hat früher der Hausarzt übernommen, der von der Uroma bis zum Urenkel die ganze Familie behandelte. Leider ist so etwas recht selten geworden.
Und was mir immer wieder auffällt: Diese ganz banalen Kleinigkeiten, wie z.B. dafür zu sorgen, dass der/die Patient/in nicht frieren muss und einigermaßen bequem liegt, oder das Licht runtergedimmt wird, wenn ohnehin nichts passiert, werden selten wahrgenommen. Der Pfleger war auch sofort ganz eifrig und freundlich mit dabei, als ich damit angefangen habe – er ist halt von allein nur nicht (mehr) drauf gekommen. So etwas scheint im Alltag immer mehr unterzugehen, was nicht nur schade ist, sondern eben auch den Therapieerfolg mindern oder sogar verhindern kann.
ohwehohwehohweh.
(und, krankenhäuser von innen hier kann ich traurige bücher vollschreiben. da ist licht dimmen vom pfleger verlangen noch extrem extravagante hohe schule. wie wäre es mit patienten nicht auf den boden fallen lassen oder nicht vergessen überwachungsapparate anzuklinken wenn jemand gerade eine sinusknoten ablation hinter sich hat, oder nicht die krankenakte fälschen…)
alles gute wünsche ich Dir und Euch.
Ja, das stimmt leider.
(Aus dem Bett fallen konnte die Omma nicht, ich stand ja die ganze Zeit über daneben. )
In letzter Zeit lese ich vermehrt Krankenhausentlassungsberichte, die sich nicht wie Krimis, sondern schon wie Horrorgeschichten lesen und wo ich schon mehr als einmal gedacht habe, „wenn ich sowas früher gemacht hätte, hätte ich die Kündigung bekommen.“
Gewisse Basics habe ich gestern einfach auch allein gemacht, wie z.B. Blutdruck messen, nachdem der Betablocker gespritzt wurde.
Krankenakte fälschen ist allerdings harter Tobak. Insgesamt geht es zunehmend bergab mit den deutschen Krankenhäusern, seitdem die Privatisierung so ernorm um sich gegriffen hat. Sind halt andere Unternehmensziele als früher und das macht sich bemerkbar. Leider.
Ohje. Dann gute Besserung und eine große Mütze Schlaf. Ja, in den Krankenanstalten herrschen häufig Inkompetenz, Ignoranz und ein großer Mangel an Empathie. Ich möchte dort keine stationäre Zeit mehr verbringen müssen, obwohl ich einst sehr gern in der großen Klinik gearbeitet habe. Die Entwicklungen sind traurig. Die Bedingungen für die Kollegen werden schlechter. Keine wirkliche gute Schule mehr. Es geht nur noch um Kohle. Um jeden Preis. Das bedeutet nun nicht, dass es überall schlecht zu geht. Nein. Es gibt auch noch zufriedene Patienten. Doch.
Gute Nacht nach B.
Danke! Der Omma geht es deutlich bessern.
Ja, die Bedingungen werden schlechter und schlechter. Ich möchte heute nicht mehr als Assistenzarzt irgendwo anfangen müssen.
Euch in L auch eine gute Nacht! :-)
;-(
Und aber auch ;-)