Es fing an mit einem unbekannten, verpassten Anruf auf meinem Diensthandy, Telefonnummer unterdrückt, keine Nachricht in der Mailbox.
Nur so zur Sicherheit schnell Muttern anrufen, vielleicht wollte sie ja etwas von mir, vielleicht ging es ihr, wie in den Tagen davor nicht ganz so gut.
Freizeichen – einmal, zweimal, dreimal – normalerweise geht meine Mutter spätestens nach dem dritten Klingeln ans Telefon – viermal….siebenmal…..nichts.
Nochmal versuchen – wieder nichts.
Das Procedere viermal wiederholt – immer noch keine Reaktion am anderen Ende.
Da ich in den letzten Wochen, damit sie bei dem Wetter nicht vor die Tür muss und sich am Ende noch eine Schenkelhalsfraktur o.ä. holt, für sie eingekauft habe, musste sie aber eigentlich zu Hause sein.
Den Huflaikhan angerufen, ob sie sich bei ihm gemeldet hat – hatte sie nicht.
Noch dreimal mindestens zehnmal klingeln lassen unter langsam heftiger steigendem Adrenalinpegel.
Der Kollegin Bescheid gesagt, dass ich sofort, jetzt und auf der Stelle dringend weg muss, mich in die Straßenklamotten geschmissen, Bilder im Kopf, die ich lieber nicht beschreiben will, im Wissen, dass es hier unter Umständen um Sekunden gehen könnte, kurz vor dem Rausrennen noch einmal den Telefonhörer gegriffen…
…um es kurz zu machen: Muttern meinte an genau dem Tag, an dem das Glatteis draußen am glattesten war, nämlich heute, unbedingt wieder einmal allein einkaufen gehen zu müssen.
„Das machst du nicht noch mal mit mir!“
„Wieso, ist doch gar nix passiert.“
Ja, ist es nicht und dafür bin ich auch sehr dankbar und weiter geschimpft habe ich auch nicht. Soll sie sich das Gefühl der Selbständigkeit so lange wie irgend möglich erhalten, auch wenn es mich ab und zu ein paar graue Haare kostet.
Es ist schon irgendwie wie mit kleinen Kindern – die muss man auch loslassen können – nur mit dem Unterschied, dass die nach und nach vernünftiger werden.
Meist zumindest.
16 Antworten zu “Das neue Jahr fängt gut an, oder wie mich meine Mutter heute an den Rand des Herzinfarkts brachte”
Bin mit Euch froh, dass nichts passiert ist bei diesem „Ausflug“!
Und Deine prinzipielle Einstellung dazu (siehe letzter Abschnitt) finde ich sehr gut. Die grauen Haare kommen sowieso irgendwann und die hier haben dann wenigstens einen Erinnerungswert! ;o) Nein, ich mach mich nicht lustig aber solche Situationen kann man nur mit auch ein bisschen Humor überleben und den hast Du ja glücklicherweise!
Danke Liisa fürs mit Frohsein – Du glaubst gar nicht (ach Quatsch, Du weißt es ganz genau! :-) ), welche zentnerschwere Last von mir abgefallen ist, als ich ihre Stimme durchs Telefon hörte und sie irgendwie auch ganz froh klang, diese Herausforderung gemeistert zu haben (wie gesagt: „ist doch gar nix passiert“ und „war doch gar nicht so glatt“) – sie kriecht ja auch noch die Leiter hoch, um die Gardinen und so – soll sie ja auch meinetwegen.
Nur ist mir heute wieder sehr bewußt geworden, dass, wenn wirklich mal das passiert, was ich heute befürchtet habe, es für mich ein extrem schwerer Schlag sein wird.
Ja, einfacher wird es nicht. Meine Eltern (74 und 75) sind noch ganz gut beieinander, auch wenn meine Mutter heftiges Rheuma hat. Aber die zunehmende Hinfälligkeit wird auch uns zu schaffen machen. Ich kann ja nicht immer daneben stehen.
Wenn, dann soll es schnell gehen. Bevor meine Oma mit 97 starb, war sie noch 3 Jahre bettlägerig und am Schluß war kaum noch was von ihr da (zähe Franken halt, geben nicht leicht auf – hatte die spanische Grippe überlebt :) – das hat uns mehr zu schaffen gemacht, als er dann endlich erlösende Tod.
Uff, was für’n schweres Thema.
Owei.
Das kenne ich nur zu gut. Willkommen im Club sozusagen.
Jetzt hast du die Kinder sozusagen kaum aus dem Gröbsten raus, da zeigt sich die nächste Baustelle. Es ist auch aus vielerlei Gründen so schwer: die ältere Generation ist nicht nur erwachsen und mündig, da stellt sich ja die Frage, wo man als Kind einspringen soll und darf oder sogar muss. Es ergibt sich oft auch langsam ein Tausch der Eltern-Kind-Rollen, das tut beiden Seiten weh. Das „helfen und helfenlassen“ wäre weniger schwierig, würde man nicht noch in einer Beziehungsfalle stecken. Man erlebt oft dieses Aufbäumen der älteren Generation gegen das Abrutschen in die Abhängigkeit, sie wollen nicht zur Last fallen und wehren sich zu Recht auch gegen die „Anmaßung“ der Kinder, jetzt immer öfter zu helfen und sich immer mehr in Angelegenheiten der Eltern einzumischen.
Spagat ist nichts dagegen.
Das weißt du eh. Alles Gute und starke Nerven.
Danke Euch!
Ja, all das liegt da drin. Ich habe allerdings die Hoffnung, dass unser gutes Verhältnis miteinander und die letztlich doch recht gute Anpassungsfähigkeit meiner Mutter an verschiedene Situationen auch weiter tragen wird.
Pepa? PEPA?
Sag mal, Süße. Was oder wie glaubst Du eigentlich so, wirst Du DEINEN Kindern so für Späße bereiten, wenn Du erst einmal so alt bist und Deine Selbständigkeit nicht an das Alter abgeben willst, nur weil Deine Kids glauben, Du kannst oder solltest so vieles nicht mehr tun?
Ich sehe Dich ja schon vor mir … Deine armen Kleinen. ;-)
Respekt für Mama, ich fand’s heute selbst für meine modernen Knochen kriminell.
Ich weiß, dass das so kommen kann, es kann aber auch sein, dass ich selbst vor Eintritt der Demenz das Zeitliche segne, wer weiß das schon.
Dieses Wissen macht es aber nicht weniger schwierig und wie gesagt, sie soll ja ruhig (wobei das zunehmend keine durchdachte Entscheidung mehr ist) – ich bekomme nur ab und zu einen Herzkasper dabei.
Ich weiß, ich würde auch wahnsinnig werden. Dabei tut sie natürlich aus ihrer Sicht der Dinge nur die Sachen, die sie doch immer getan hat. Also ich glaube, mir würde das im Alter auch super schwer fallen, mir diese Fähigkeiten absprechen lassen zu müssen. Dass es zu Recht passiert, kein Thema. Aber wer kann sich schon gelassen in Bevormundung üben? Und das ist es natürlich für unsere Eltern. ,-(
Gestern erzählte mir meine Mutter, dass sie früher immer den Kopf geschüttelt hat, wenn sie eine alte Frau aus unserer Nachbarschaft bei Eis und Schnee auf der Straße gesehen hat. „Und jetzt mache ich das genau so!“ Eher so erstaunt über die sich wiederholenden Gesetzmäßigkeiten, nicht triumphierend. Es ist die Selbstwahrnehmung unserer Fähigkeiten, die uns nicht nur mit zunehmenden Alter narrt – einige fühlen mit 50 noch, wie sie mit 20 gefühlt haben, andere wieder fühlen sich mit 20 schon als wären sie bereits 50 oder älter. Sehr subjektiv – aber es ist mir lieber, sie überschätzt sich ein wenig, als dass sie sich aufgibt.
Ja, ich denke das ist mit Abstand die bessere Herangehensweise. Das wäre bei meiner Mum leider genau anders herum gelaufen, auch mit ein Grund, warum es sie eben nicht mehr gibt.
Aber morgen, möge sie das wirklich bitte sein lassen. Morgen will nicht mal ich raus müssen. ;-(
Ich werde sie morgen vormittag anrufen und daran erinnern… ;-)
wir hatten heute eisregen hier, alles spiegelglatt und ich habe meine mama angebettelt, drin zu bleiben. (selbst bin ich mit Kind gut in Kita und Büro gerutscht.)
Wir hatten neulich folgendes Gespräch:
Mum:“ach, jetzt mach ich den gleichen Unsinn wie damals dein Opa, und ich weiß noch, wie sehr ich mich immer darüber geärgert hatte“.
Ich:“Ja.“
Ich bin mal gespannt, wie lange es bei mir noch dauert, und ob mir dann jemand bescheid sagt ;-).
Hier gab es auch Eisregen – und auch meine Mutter wollte eigentlich mit einer Bekannte shoppen gehen. Sie hat aber sofort eingesehen, dass das wohl keine so gute Idee ist.
(Bin auf dem Dienstparkplatz auch kaum vom Auto weg gekommen – trotz dicker Schneeschuhe mit gutem Profil. War so dermaßen spiegelglatt und hubbelig, dass man von allein anfing zu rutschen…)
Ehrlich gesagt, bin ich sicher, dass mir später auch diverse Fehleinschätzungen passieren…
…und ich bin sicher, dass meine Kinder mich dann bremsen werden. Ganz sicher. ;-)
Mütter halt – und gut dass sie so sind wie sie sind, auch wenn ich Angst um sie hab. Zum Glück wollen sie noch was erleben, bleiben nicht stumpfsinnig zu Hause hocken und trauen sich noch mal was zu. Ich wär froh, wenn ich im Alter noch so fit und „abenteuerlustig“ bin wie meine Mutter. Und zum Glück haben wir doch alle was von unseren aktiven Müttern, auch wenn sie uns manchmal 2 – 100 graue Haare kosten :-)))).
Ich selbst werde kräftig meinem Großvater nacheifern. Der hatte auch im höheren Alter und recht wacklig geworden kein Problem mit absurden Scherzen. Ob er einem Mitarbeiter im Baumarkt „androhte“, ihm kräftig in den Hintern zu treten, wenn das nicht endlicher schneller gehe die Leiter rauf und runter oder ob er die Kellnerin fragte, ob sie sich mit dem Gesicht über die -ihm zu blassen- Pommes Frites gebeugt und sie dergestalt erschreckt habe …. und und und.
Ja Bahu, Deine Mutter ist auch Klasse! :-)
Herr Kreuzbube, das kann ich mir richtig gut vorstellen. Ein ähnliches Ideal meines Alters-Ego habe ich auch im Hinterkopf: Fröhlich giften bis der Arzt kommt. Mein Vater hatte das nahezu bis zum Schluss mit einem ganz trockenen Witz drauf – auch als er sich in seinem Pflegebett kaum noch bewegen konnte, verblüffte er seine Umwelt mit – zu diesem Zeitpunkt bereits mehr gehauchten als gesprochenen – hintertüpfeligen Sprüchen.