… er könnte ihre letzte Rettung sein!
„Du, die Tante Hannelore will sich jetzt Implantate machen lassen…“ tönt meine Mutter neulich ins Telefon.
„Und welcher Halsabschneider will ihr die einsetzten?“ ist meine spontane Antwort.
Tante Hannelore hat nämlich seit geraumer Zeit größtmögliche Probleme mit ihren Zähnen inklusive und im speziellen mit den Kieferknochen. Und das liegt nicht daran, dass, als Tante Hannelore noch ein Kind war, also so vor gut siebzig Jahren, die Geschichte von Karius und Baktus noch nicht so weit verbreitet war. Es liegt daran, dass die arme Frau in den letzten Jahren aufgrund unterschiedlichster Krebsarten zahlreiche Chemotherapien hinter sich gebracht hat.
„Sag‘ doch bitte der Tante Hannelore, dass das mit den Implantaten keine gute Idee ist, ja!“ versuche ich es. „Neinein!“, sagt meine Mutter, „auf Dich würde sie ohnehin nicht hören und außerdem hat ihr Zahnarzt gesagt, dass das geht! Und ihr Zahnarzt, das ist eine Koriphaehe!“
Das ist jetzt ein paar Monate her.
Vor einigen Tagen erzählt mir meine Mutter nun, dass der Tante Hannelore gerade die Implantate aus der Gosche fallen. Eins nach dem anderen.
Tante Hannelore ist nicht die Einzige, die grenzenloses Vertrauen in privat zu zahlende ärztliche Leistungen setzt.
„Und Onkel Günter will sich nächste Woche seine Schulter operieren lassen.“
„Ist der von allen guten Geistern verlassen?“ entfährt es mir spontan, „Doch nicht etwa in Vollnarkose???!!!“
„Doch doch“, so meine Mutter am Telefon „er geht in so eine Privatklinik und der Professor da hat gesagt, das ist ein ganz kleiner Eingriff. Erst wollte er ja den großen Eingriff machen, aber Onkel Günter hat sich erstmal für den kleinen Eingriff entschieden. Onkel Günter hat großes Vertrauen zum Professor! Er lässt sich nur noch vom Professor behandeln, hat er gesagt.“
„In Vollnarkose?“
„Ja. Der Professor hat gesagt, das geht in jedem Fall!“
„Aber der Professor ist Orthopäde!!!“
„Ja, Onkel Günter soll ja auch vorher nochmal seinen Hausarzt fragen.“
„MUTTER! Ob eine Narkose gemacht werden kann, oder nicht, entscheidet der ANÄTHESIST. Nicht der ORTHOPÄDE und auch nicht der HAUSARZT!!! Sag‘ bitte dem Onkel Günter…“ Meine Mutter winkte ab, das hätte gar keine Zweck und auf mich würde er ohnehin nicht hören, da sei sie sich ganz sicher.
Onkel Günter ist ein liebenswerter, großherziger Mensch – sowohl im psychischen, als auch somatischen Sinne. Seiner Pumpe ging erst neulich, nach weit über achtzig Jahren des Versorgens eines BMI von etwa 40 kg/qm, einfach die Puste aus. Er ist damals dem Tod gerade noch einmal so mit Mühe und Not von der Schippe gesprungen, der Onkel Günter, und da sein Herz und auch seine Lungen mittlerweile nicht nur ein wenig überfordert sind, wird der Onkel Günter nun in der Nacht heimbeatmet und er marschiert tagsüber mit einem Sauerstoffgerät durch seine Wohnung, wenn er wieder allzu arg pusten muss und das kommt in letzter Zeit immer häufiger vor. Als ich neulich mit ihm telefonierte, konnte ich ihn kaum verstehen, so dermaßen schnappte er nach der immer knapper werdenden Luft. Und das lag nicht an dem, was ich ihm sagte.
In dürren Worten: Onkel Günter ist das wandelndes Narkoserisiko, aber Titel und Prominenz konnten ihn, wie viele seiner Generation, schon immer immens beeindrucken.
Nun denn, heute abend rief mich meine Mutter ganz aufgeregt an, der Onkel Günter, der sei abgesetzt worden.
Vom Op-Plan.
Vom Anästhesisten.
Die Narkose, die sei dann wohl doch zu gefährlich.
Habichsnichtgesagt???
(Und Gottseidank – auf die Fachkollegen ist immer noch Verlass!)
Ganz ehrlich, ich muss nicht immer recht behalten. Ganz im Gegenteil, ich hätte der Tante Hannelore von Herzen gewünscht, dass ihre neuen Beißerchen an Ort und Stelle verblieben wären und dem Onkel Günter sei eine schmerzfreie Schulter auch mehr als gegönnt.
Aber könnten diese alten Geier all diese betagten Bekannten meiner Mutter nicht vielleicht erstmal jemanden fragen, der sich ein wenig auskennt und der ihnen nicht die Kohle aus den Taschen ziehen will?
Nein, können sie nicht, denn sie kennen mich ja schon, da habe ich noch in die Windeln und so.
Und Professor,
Professor bin ich ja auch nicht.
13 Antworten zu “Schießen Sie nicht auf den Anästhesisten…”
Wie heißt es doch so schön in einer uralten Schrift? Der Prophet gilt nicht viel im eigenen Land! was Deine Schilderungen mal wieder bestätigen. Ich hab’s mir jedenfalls auf meinem mentalen Merkzettel notiert, im Fall der Falle erstmal bei Dir nachzufragen. ;o)))
Aber Liisa, weder bist Du eine betagte Bekannte meiner Mutter, noch von Titeln übermäßig zu beeindrucken und außerdem weißt Du doch selbst ohnehin das, was die hier Beschriebenen fragen sollten. ;-)
Heißt das, ich darf Dich nicht fragen, bis ich betagt genug bin? ;o)
Neineinein! *hektischmitdenhändenfuchtel*
Selbstverständlich darfst Du.
Ich wollte damit nur sagen: Du hast das gar nicht nötig!
Außerdem: Wenn Du betagt bist, dann bin ich mittlerweile hochbetagt und wer weiß, ob man sich dann noch auf meine Aussagen verlassen kann…;-)
Lass uns, wenn es so weit ist doch lieber Rollator-Rennen auf dem Alten-WG-Flur fahren.
Ok.
Ich lese den Anfang deines Beitrags und denke: Hoppla, die Tante von Pepa will sich Implantate machen lassen!? Die muß doch bestimmt schon (nichts für ungut, ich bin auch aus deinem Jahrgang)….
Und da will sie sich noch neue Brüste machen lassen?
Habe ich vielleicht die Yellow-Press-Krankheit?
Und wenn ja, ist die heilbar?
Und wenn ja, muß ich dann operiert werden?
Und wenn ja, geht das nur unter Vollnarkose?
Vielleicht sollte ich mal meinen Apotheker fragen.
sie sind immerhin vom fach und dürften eigentlich was sagen. ich erinner mich an die knie-op meines vaters im letzten jahr, als ich ihn inständig bat, wenigstens eine zweite (fach-)meinung einzuholen – aber ich hatte ja keine ahnung, ich hatte das ja schliesslich nicht selber durch *ironieoff*. nach op, reha, schmerzen etc. stellt er heute fest, dass ihm die op nichts gebracht hat… ;o/
wir müssen unsere fehler selber machen, klar. aber müssen wir das wirklich bei JEDEM?
ich wünsche ihnen, dass sie das wegschieben können und sich nicht zu sehr ärgern. schwer, ich weiss…
Kassieren diese Herren Professoren eigentlich im Voraus?
Oh ja ja ja! *begeistertdiearmehochreiß* Rollator-Rennen auf dem Alten-WG-Flur, da bin ich doch dabei! Mal sehen, wer sich zuerst einen Oberschenkelhalsbruch dabei fängt! ;o))))) Nee, wir doch nicht! Wir sind doch die fitten Alten von morgen … :)
Nun zumindest was den Zahnarzt angeht: die Dinger sind ja im Rahmen der von ihm zu gewährenden Gewährleistungsfrist rausgefallen, kann man ihm nachweisen, dass die Tante ihn über ihre Chemo-Historie informiert hat, hat er vorsätzlich gehandelt oder?
Ach so, Tante hört ja nicht auf Dich.
da lob ich mir die frau augendoktor, die ich da gefunden habe: während der krankenkassen-oberarzt über seine bediensteten unterärzte ausrichten liess (ohne mich, geschweige denn meine augen) auch nur gesehen zu haben, bei einer katarakt-operation sei es nicht state of art auch das bisschen hornhautkrümmung gleich mitzuoperieren (macht er aber gerne extra um € 2.000.– plus mwst. plus spesen pro auge), da hat frau priv. doz. das ganz von alleine nach persönlicher untersuchung vorgeschlagen, und dann auch gemacht.
als belegärztin in einem anderen krankenhaus (damit ich nicht noch länger warten muss), und obwohl sie privat ordiniert und operiert: alles auf krankenkasse. und was soll ich sagen: passt, wackelt und hat luft. und sehr nett ist sie ausserdem.
es ist einfach an dem, dass manchen ärzten der weisse kittel ins hirn gestiegen ist und denen dabei die ethik und die moral abhanden gekommen sind.
Das ist bloß wegen dieser Ärzteserien im Fernsehen! Wegen denen werden Ärzte so unrealistisch überschätzt: Sie haben immer eine Diagnose und immer eine Heilungsmöglichkeit. Was ein Zufall, dass ich ausgerechnet heute bei der SZ diese Zehn Mythen über Ärzte gefunden habe: http://www.sueddeutsche.de/wissen/452/463064/bilder/?img=0.0
@kaltmamsell
klasse, die doc house patienten sind schon alle tot!
Creezy, ich bin mir ganz sicher, dass ich das eigentlich gar nicht wissen soll – geschweige denn in irgendeiner Art kommentieren…
Hihi, MiniMoppel – ich hatte noch krampfhaft überlegt, dass „Implantate“ ja vielleicht nicht ganz eindeutig definiert ist und so, habe dann aber davon abgesehen, länger darüber nachzudenken – war zu müde…
Eine Yello-Press-Krankheit sollte mittels Vollnarkose durch den Apotheker behandelt werden…
…oder durch forciertes Zuwarten…
…oder mittels Plazebo forte.
Aber Du bist sicher überhaupt nicht daran erkrankt.
Cecie, ich ärgere mich nicht mehr, ich wundere mich nur noch.
(Und meine eigene Mutter habe ich ja mittlerweile so weit, mich wenigstens vor einer medizinischen Aktion zu fragen.)
Mariong, der Anästhesist hat unter Garantie fett Ärger bekommen, als er den Onkel absetzte. So kenne ich zumindest die Kommunikation mit diesem Fachgebiet…
(Ich so, auf den EKG-Monitor deutend: „Herr X hat massive Herzrhythmusstörungen“ , Orthopäde so: „Woher wollen sie das wissen?“)
Liisa, wir werden vielleicht die fitten Alten, vielleicht auch nicht, aber eines will ich zumindest nicht werden: Eine resignierte Alte. (Wenn der Rollator nicht mehr geht, nehmen wir halt den Elektrorollstuhl. Den lassen wir uns vom Zivi entsprechend tunen und ab geht die Post! Den Plan haben wir übrigens schon im Kollegenkreis besprochen – die machen auch alle mit!)
Frau Kelef, das freut mich so sehr, dass Sie es mal richtig gut erwischt haben! Wirklich. Wurde ja auch mal Zeit, wa? :-)
Liebe Kaltmamsell, das ist ja wohl der coolste Link seit langem.
Den Mundschutz von Dr. House…
…sowas haben wir im Op auch mal gemacht. Passend zu diesen formschönen geblümten Op-Hauben (wir nennen diese Form liebevoll „Tretminen“)